Psychische Aspekte der Aufrichtung
Die äußere Haltung spiegelt unsere innere Haltung und unseren Bezug zur Umgebung wider. Die Wirbelsäule ist psychisch gesehen die Achse unserer Person, unser Rückgrat. Die aufrechte Haltung wird durch Affekte und Gedanken, die v.a. auf die Muskulatur wirken und dort sogar "gespeichert" werden können, in vielerlei Hinsicht gestört.
"Die Anatomie der Wirbelsäule ist verknüpft mit der persönlichen, emotionalen Geschichte", so der Psychotherapeut Stanley Keleman. Aufgerichtetsein beinhalte die Aspekte der genetischen, biochemischen und mechanischen Struktur, genauso sei es auch ein soziales und emotionales Ereignis. Die aufrechte Haltung lege die Verwundbarkeit des Menschen bloß, die exponierte Front sei weich und sehr verletzlich. Indem der Organismus zur Verteidigung seine weiche Vorderseite schütze, werde seine aufrechte Haltung beeinflusst.
Der körperorientierte Psychoanalytiker zeigt ein Kontinuum von Haltungsänderungen auf, die durch das Fortschreiten des Schreck-Schockreflexes bedingt sind. Akute Haltungsänderungen können chronisch werden.
Angespanntes oder sorgenvolles Denken führt zu Verkrampfungen der Muskulatur speziell des Rückens und damit gehen Versteifungen und/oder ausweichende Haltungen einher. Jedoch sollte die WS als Zentrum tragend sein und nicht der äußere Muskelpanzer, der sich bei chronischen Verspannungen bildet und die WS in ihrer Beweglichkeit einschränkt.
Depression, Schuld, Resignation führen zum Beugen, Hängen lassen des Rückens: In Folge geht der Blick an die Erde, Angst verursacht Verkrampfung, Starre, so dass Spannungsregulation nicht mehr möglich ist. Überforderung, Erschöpfung und seelische Verletzungen bewirken ein Einsinken des Rückens. Zorn führt zur Schwerpunktverlagerung nach unten oder oben. Stolz bläst den Oberkörper auf, das Gewicht wird nach vorne und oben verlagert.
Auch die amerikanische Psychoanalytikerin und Tanztherapeutin Judith Kestenberg hat sich mit den Zusammenhängen von Körperformung und der Lebensgeschichte des Individuums beschäftigt. Für sie drücken sich in der Formung des Rumpfes Beziehungen und dazu gehörige Gefühle aus: wachsende und öffnende Bewegungen des Rumpfes deuten auf Kontaktaufnahme, zusammenziehende und schließende Bewegungen auf den Wunsch nach Rückzug und Kontaktabwehr. Dabei biete die Wirbelsäule die Grundlage zur Erfahrung des Selbst.
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